Marienschloß
Der Kultur- und Geschichtsverein Oppershofen hat es sich zu
seiner besonderen Aufgabe gemacht, ein kulturhistorisches
Kleinod der Gemeinde Rockenberg mehr in das Licht der
Öffentlichkeit zu rücken. Es handelt sich um die ehemalige
Zisterzienserinnenabtei Marienschloß zu Rockenberg.
Im Jahre 1338 von Ritter Johannes von Bellersheim und seiner
Familie gegründet, beherbergte das Kloster 465 Jahre hindurch
Ordensfrauen des gleichen Zisterzienserordens, dessen Mönche
auch in Kloster Arnsburg oder dem berühmten Kloster Eberbach
lebten, bis es dann im Jahre 1803 im Zuge der Säkularisation
aufgehoben wurde.
Punkte unserer Arbeit in Bezug auf Kloster Marienschloß sind
nicht nur die Aufarbeitung des Klosterarchivs, das verstreut in
mehreren staatlichen, kirchlichen und privaten Archiven
aufbewahrt wird. Auch Veranstaltungen direkt vor Ort werden von
uns initiiert und durchgeführt, wie z.B. Vorträge,
Ausstellungen, Führungen, Konzerte oder auch Gottesdienste. Ein
weiterer Schwerpunkt sind Publikationen rund um das das
Kloster.
Klosterleben
Die Zisterzienserinnen
Der weibliche Zweig des Zisterzienserordens ist nicht, wie der
männliche, aus einer Gegenbewegung zum Benediktinerorden
cluniazensischer Prägung entstanden, sondern ging aus der
religiösen Frauenbewegung des 12. und 13. Jahrhunderts hervor.
Mit der allgemeinen religiösen Bewegung ihrer Zeit hatte die
Frauenbewegung eine christliche Lebensgestaltung zum Ziel, die
in der Gemeinschaft in Armut und Keuschheit erstrebt
wurde.
So verschieden die Herkunft der einzelnen und das
gesellschaftliche Bewusstsein der damaligen Zeit auch waren,
einig waren sich alle in dem göttlichen Heilsplan, der in die
ewige Seligkeit mündet.
Viele dieser Frauen wurden von der Lebensgestaltung des neu
entstandenen Zisterzienserordens angezogen. Sie bildeten
Klostergemeinschaften, die nach der Regel des Heiligen Benedikt
und den Gewohnheiten der Zisterzienser lebten. Sie erstrebten
die Eingliederung (Incorporation) in den Zisterzienserorden.
Dank ihrer guten Beziehungen zu Stephen Harding, dem 3. Abt von
Cîteaux, erreichten 1125 erstmals die Nonnen des französischen
Klosters Tart die Aufnahme in den Orden, und zwar in der
juristischen Form der Incorporation. Sie besagte, dass die
Nonnen vollständig zum Orden gehörten und sie wurden durch
diesen fortan geistlich betreut und hinsichtlich der
Wirtschaftsführung und der Beobachtung der klösterlichen
Disziplin durch regelmäßige Visitationen unterstützt.
Beauftragt wurde damit der Abt eines nahegelegenen
Zisterzienserklosters. Im Falle von Kloster Marienschloß war
dies die Abtei Arnsburg. Dessen Abt hatte die geistliche
Jurisdiktion des Ordens auch bei Äbtissinnenwahlen und bei
Entgegennahme der Profess, dem Klostergelübde.
Die Zahl der Frauenklöster wuchs dann viel schneller als die
der Männerklöster. Dem Zisterzienserkloster Arnsburg waren
schließlich sieben Frauenklöster unterstellt:
- Marienthal bei Netze, heute Waldeck
- Kaldern bei Marburg
- Maria Thron bei Wehrheim im Taunus
- Engelthal bei Altenstadt
- Patershausen bei Heusenstamm
- Marienborn bei Büdingen
- Marienschloß bei Rockenberg
Der Tagesablauf in einem mittelalterlichen Zisterzienserinnenkloster
Das Kloster war ein von der Außenwelt abgeschlossener Bezirk,
in dem außer dem Wohngebäude auf jeden Fall eine Kirche
vorhanden sein musste, in der siebenmal am Tag und einmal in
der Nacht das Lob Gottes in lateinischer Sprache gesungen und
gebetet wurde.
Das erste Zeichen hierzu erfolgte einige Stunden vor
Tagesanbruch, in unserer heutigen Zeitrechnung zwischen 1 Uhr
und 2 Uhr nachts, im Dormitorium, dem gemeinsamen Schlafsaal,
und man begab sich bald danach in den Chorraum der Kirche zu
den Vigilien, den Nachtwachen des Gebets.
Da es damals noch kein elektrisches Licht gab und der Chor nach
Ordensbrauch nur mit fünf Öllampen erleuchtet war, mussten alle
Psalmen Antiphonen und Hymnen auswendig gebetet bzw. gesungen
werden. Zum Vortrag der Lektionen aus der Hl. Schrift und den
Erklärungen der Kirchenväter hielt die, je für eine Woche
bestimmte Lektorin eine Absconse, ein kleines Öllämpchen, in
der Hand. Nach den Vigilien wurden im Kapitelsaal Lichter für
die persönliche geistliche Lesung aufgesteckt. Die Bücher
erhielt man durch die Kantorin aus dem Armarium, der
Bücherkammer, zugeteilt und es war ein Anliegen des
Generalkapitels, dass genügend gute und vom Orden geprüfte
Bücher vorhanden waren. Zur Sommerzeit saß man auch im
Claustrum, wie der Garten des Kreuzgangs auch genannt wurde.
Die älteren Nonnen vertieften sich in die Schrifterklärungen
der Kirchenväter oder in die Heiligenviten, während die
jüngeren ihre Lesezeit vorwiegend auf das Auswendiglernen der
liturgischen Texte verwenden mussten. Eine Nonne beobachtete
jeweils den Himmel, da sie bei Sonnenaufgang das Zeichen zu den
Laudes, dem ersten Gotteslob des Tages, zu geben hatte.
Der liturgische Aufbau dieser längsten und feierlichsten
Gebetshore des Vormittags entspricht dem der Vesper, anstelle
des Magnificats finden wir dort das Benedictus, den Lobgesang
des Priesters Zacharias, des Vaters Johannes' des
Täufers.
Auf die Laudes folgte nach einer kurzen Entspannung die
Prim, die stets mit dem Hymnus begann und seit dem
Zweiten Vatikanischen Konzil der Liturgiereform zum Opfer
gefallen ist. Danach zog man in Prozession vom Chor erneut in
den Kapitelsaal, wo durch die äbtissin ein Kapitel der
Ordensregel verlesen und erklärt wurde und den Nonnen die
Tagesarbeit zugewiesen wurde. Im Sommer begab man sich hiernach
sofort an die Arbeit, während man im Winter bis zur nächsten
Hore lesen konnte.
Das Gebet zur dritten Tagesstunde heißt Terz und gilt in
erster Linie dem Heiligen Geist, der zur dritten Stunde an
Pfingsten auf die Jünger herabkam. Sie ging stets unmittelbar
dem Konventamt, der Eucharistiefeier der Klostergemeinde
voraus, das schon seit jeher den Mittelpunkt des klösterlichen
Tages bildete.
Im Winter zog man sich hiernach zur Lesung zurück, im Sommer
war es jetzt überall im Hause hinreichend hell für die Arbeit.
Sie wurde im Zisterzienserorden stets hochgeschätzt, gemäß der
Weisung des 48. Kapitels der regula Benedicti: "Der Müßiggang
ist ein Feind der Seele, und deshalb sollen sich die Brüder zu
bestimmten Stunden mit göttlicher Lesung beschäftigen." Die
Tagesordnung wurde daher auch in den Frauenklöstern durch den
Wechsel zwischen Gebet, geistlicher Lesung und Arbeit
bestimmt.
Der Vormittag endete mit der kleinen Hore der Sext, in
der man vor allem um die Gnade der Beharrlichkeit in den
Anfechtungen der Mittagszeit und in der Lebensmitte flehte.
Dann folgte das gemeinsame Mahl im Refektorium, dem Speisesaal,
und hiernach war bis zur kleinen Hore der Non eine
Ruhepause, die sog. Rekreation vorgesehen. In dieser Gebetszeit
zur neunten Stunde gedachte man des Leidens und Sterbens Jesu
Christi. Man nahm danach wieder die Arbeit auf, bis das Zeichen
zur Vesper gegeben wurde, die man, wie die Laudes,
täglich feierlich sang. Den Höhepunkt beider Gottesdienste
bildete das, von der äbtissin gesungene Vater unser, gemäß der
Weisung des 13. Regelkapitels: "Die Morgen- und Abendfeier
sollen aber nie beendet werden, ohne dass am Schluss das Gebet
des Herrn vom Oberen, allen vernehmbar ganz gesprochen wird,
wegen der Dornen und ärgernisse, die leicht entstehen, damit
sich die Brüder, durch das Versprechen in diesem Gebet "Vergib
uns, wie auch wir vergeben" verpflichtet, von solcher Schuld
reinigen."
War die Vesper verklungen, gab man sich nochmals der
persönlichen Lektüre und nach einem kargen Abendessen einer
gemeinsamen Lektüre hin, bis es nach Einbruch der Dunkelheit
Zeit zur Komplet war, der letzte Hore am Tage, in der
für eine ruhige Nacht und ein seliges Ende gebetet wurde.
Geendet hat die Komplet mit dem Gruß an die Gottesmutter durch
das Salve Regina und dem Segen der äbtissin mit Weihwasser. Nun
beginnt das große Silentium, das nach einer wohlverdienten
Nacht nach den Vigilien wieder endet. So ist ein Tag im Leben
einer Zisterzienserin und ihr ganzes Dasein geprägt durch das
Gebet und die Arbeit, durch "ora et labora".
Klosterarbeit und Klosterämter
- Keller
- Hofrichter
- Schaffner
- Bäcker
- Müller
- Schäfer
- Äbtissin
- Priorin
- Subpriorin
- Bursiererin
- Cellerarin
- Kantorin
- Sakristanin
- Magistra (Novizenmeisterin)
- Infirmarin (Krankenschwester)
- Pförtnerin
- Küchenmeisterin
- Weinmeisterin
- Brotmeisterin
- Kornmeisterin
Für die Nonnen des Mittelalters bestand die Handarbeit zum Teil
in den Diensten des gemeinsamen Hauswesens. Ohne die
maschinellen Hilfen von heute erforderten sie damals viel mehr
Zeit. Eine Hauptbeschäftigung muss das Wollspinnen gewesen
sein, denn der Orden schrieb statt des teuren Linnen oder
schwarzgefärbten Tuches schafwollene, ungefärbte Kleidung
vor.
Die Abtei Marienschloß beschäftigte einen Schäfer, der die
große Schafherde des Klosters betreute, wie aus einem
Rechtsstreit um den Schaftrieb mit den Gemeinden Rockenberg,
Oppershofen und Griedel hervorgeht.
Eine künstlerische Betätigung der Nonnen von Marienschloß ist
uns durch eine Applikationsarbeit auf Stoff und Papier mit
einem kleinen Medaillon überliefert. Vermutlich existierte auch
in Marienschloß, ebenso wie sie für die Zisterzienserinnenabtei
Engelthal bezeugt ist, eine Paramentenstickerei. Besonders in
der Barockzeit bestand ein großer Bedarf an liturgischer
Kleidung in den Klöstern, die aufwendig und prunkvoll gestaltet
wurden. So ist anzunehmen, dass die Nonnen von Marienschloß
nicht nur ihren Eigenbedarf an Paramenten fertigten, sondern
auch für das Männerkloster Arnsburg liturgische Kleidung in all
ihrer Vielfalt lieferten.
Arbeiten, die man nicht ohne Schwierigkeiten zu jeder
Gebetszeit unterbrechen konnte, wurden durch sog.
Laienschwestern (Konversinnen) verrichtet. Sie waren nicht zur
Teilnahme am Chorgebet verpflichtet und konnten sich so ganz
ihrer Arbeit widmen. In dem heute bestehenden
Zisterzienserorden mit den unterschiedlichen Observanzen gibt
es diese Unterscheidung von Chor- und Laienschwestern nicht
mehr.